Pilotprojekt


Seminar 7: "Teamfähigkeit"

4. - 5. Dezember 2003

Im Seminar Teamtraining wurden wir von John Oliver Haugg in die Kunst der Zusammenarbeit eingeführt.
Nach zwei Einheiten über Soziale Systeme und einem Seminar zum Thema Mitgestalten hätte man denken können, wir wären auf diesem Gebiet alte Hasen - weit gefehlt!
Mir hat John Oliver geholfen, die Erkenntnisse und Fähigkeiten aus den drei vorigen Seminareinheiten in einen Rahmen zu setzen, in dem sie weiter wachsen können.
Meine zu Beginn des Seminars offene Frage, wie ich mich in einem Team mehr über technisches Vorgehen (Moderation) einbringen kann und wie ich in mir mehr Ruhe und Vertrauen in der Zusammenarbeit generieren kann, fand in den beiden Tagen ihre Antwort.

Dabei war für mich die Vorgehensweise besonders wertvoll: nach Übungen zur Selbsterfahrung das Geschehen zu reflektieren und anhand von Modellen weiter zu beleuchten sowie bei Bedarf "Blitzlichter" oder Rätsel einzubauen.

So begann auch das Seminar mit einem Blitzlicht, wo jeder reflektieren und mitteilen konnte, was er bisher zum Thema Zusammenarbeit gelernt hat und wo er sich noch mehr Wissen und Fähigkeiten erhofft. Damit ist uns ein guter Anschluss an das geglückt, was in den vorigen Seminaren erwachsen ist.

Dann durfte jeder in der Übung des Stabhaltens hautnahen Kontakt mit einer unsichtbaren Gruppendynamik machen, die den Stab anscheinend ohne unser Zutun unkontrolliert durch den Raum gleiten ließ, bis endlich ein gemeinsames Bild, dass der Stab vom Boden angesogen würde, uns zum Ziel kommen ließ.
In der folgenden Reflexionsphase brachte John Oliver die 5 Phasen der Zusammenarbeit auf, die wir schon ein Stück bei Thomas Böhm kennen gelernt hatten. Jetzt aber nahmen wir sie unter die Lupe und erarbeiteten gemeinsam, wie wir die Phasen aktiv gestalten können, hin zu einem konstruktivem Miteinander (Orientierungsphase, Kampf/Klärungsphase, Organisationsphase, Verschmelzungsphase, Ablösungsphase).

Im Anschluss fand das Inselspiel statt, laut dem wir für zwei Jahrzehnte auf eine einsame Tropeninsel verbannt wurden und in einer Unterredung gemeinsames Gepäck und einen Aktionsplan entwerfen sollten, bevor wir auf der Insel ausgesetzt wurden.

Die Verwirrung nach dieser Übung war groß, unser Verbannten-Gespräch war sehr chaotisch und mit vielen kleinen Kämpfen abgelaufen. Entsprechend groß war z.T. auch die Frustration, wohl allen von uns fiel es erst einmal schwer, zu verarbeiten und zu verstehen, was da gerade in und um uns genau passiert war, geschweige denn aus der Meta-Perspektive das Geschehen zu reflektieren. Worin wir uns einig waren, war, dass wir gern einen kooperativeren Prozess gestaltet hätten, bei dem v.a. das soziale Geschehen einen höheren Zufriedenheitsgrad erreicht hätte.
Mit der Frage "Wie" wurden wir für den nächsten Tag entlassen.

Am nächsten Tag stimmten wir uns mit einer Geschichte aus "Der Krieger des Lichts" ein, worin der erfolgreiche Krieger allen seine Strategie erzählt - allein wolle er nicht sein, wenn er die Meisterschaft, sein Paradies erreicht habe.
Im Anschluss an den vergangenen Tag besprachen wir - diesmal mit dem Unterschied, aus frischer, eigener Erfahrung zu sprechen - noch einmal Mittel und Wege, einen konstruktiven Prozess der Zusammenarbeit zu gestalten. Besonders Phase eins und zwei schenkten wir unsere Aufmerksamkeit - gute Arbeit dort verhindert oder entschärft das Auftauchen von Selbstläufern, die v.a. in Stresssituationen die Gruppendynamik bestimmen.
Aus unserem Schatzkästchen geplaudert:
    · Am besten vor dem Treffen eine Vorbereitung machen, wo jeder in seinem Tempo in Eigenreflexion eine Positionierung zum Thema trifft. Damit ist jeder bereit zum ersten Austausch.
    · Einen Moderator finden oder sich auf wechselnde Moderation (und bestimmte Regeln) einigen.
    · In einer Vorstellungsrunde teilt jeder seinen Bezug zum Thema mit: was verbindet mich damit, was ist mein gewünschtes Ziel, welches Wissen/ Erfahrung habe ich?
    · Das gemeinsame verhandeln kann beginnen, am besten werden die Ergebnisse für alle sichtbar visualisiert und zentriert (Flip-Chart). Eine zweites Blitzlicht nach dem ersten Austausch zeigt, wie sich die Meinung des einzelnen im Miteinander gewandelt hat, wo sich Gemeinsamkeiten, wo sich Unterschiede abzeichnen.
    · In der Entscheidungsphase trifft die Gruppe über Abstimmung, ein gepunktetes Stimmungsbild o.ä. eine Entscheidung,
    · die im Anschluss zusammengefasst wird. Hier kann noch einmal auf Unzufriedene eingegangen werden, die sich mit der Entscheidung evtl. erst anfreunden müssen. Haben diese Personen schon zuvor Gehör gefunden, fällt es ihnen im allgemeinen leichter, wenn die Gruppenentscheidung anders als nach ihren Wünschen ausfällt.
    · Grünes Licht für die Ausführung.

In einem kurzen Einwurf sind wir darauf eingegangen, wie die Phasen des Gruppenprozesses bei Sekten oft verkrüppelt und missbraucht werden, um Mitglieder einzubinden. Je mehr Bewusstsein über die Phasen bei allen da ist, desto schwerer gelingt ein Missbrauch.

Als zusätzliche Hilfe hat uns John Oliver noch ein Steuerungsmodell bei Teamarbeit gezeigt, welches an TZI (=themenzentrierte Aktion) angelehnt ist. Ein gesundes System bewegt seinen Schwerpunkt zwischen den Polen von Thema, Ich und Wir innerhalb eines bestimmten Rahmens. Wie beim Eisbergmodell ragt die Sachebene aus dem Meer der Beziehungsebene und lässt Dynamiken dort erahnen. Die Beschäftigung mit den einzelnen Polen entspricht einem Durchlaufen des Phasensystems: Phase eins beschäftigt sich mit dem Ich/ Orientierung, Phase zwei mit dem Wir/ Klärung, Phase drei mit dem Thema/ Arbeit. Eine ausreichende Rüstzeit mit Ich und Wir verspricht mit steigender Fähigkeit zur Selbstreflexion ein leichtes Gelingen für die Ausführung.
Es war interessant, wie das Thema Zusammenarbeit so aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und mit seinen unterschiedlichen Verknüpfungen entdeckt werden konnte. Sogar mit direktem Bezug zur Gesellschaft: so haben Schulen ihren Schwerpunkt v.a. beim Thema, der Lehrplan steht im Vordergrund - eine Tatsache, die mich schon öfter bewegt hat, die ich aber noch nie aus der Perspektive des Modells zur Zusammenarbeit verstanden habe.

Zwischendurch hat uns John Oliver immer wieder mit einem Rätsel oder dem IQ-Test erfreut, welcher es wirklich in sich hatte...

Schließlich wandten wir uns dem Thema Kommunikation zu, und damit zunächst dem geWIEVten Feedback. Nach diesem Modell besteht erfolgreiches Feedback aus 4 Komponenten, die ich als Feedback-Geber mitteile: Meine Wahrnehmung einer Handlung des Empfängers, meine beobachtete Interpretation und die damit verbundene Emotion (beides läuft in meiner Black-Box ab nach Reiz-Reaktionsmustern, die bei verschiedenen Menschen unterschiedlichst ablaufen) sowie einen Verhaltenswunsch an mein Gegenüber.
Dabei kritisiere ich immer ein Verhalten und was es für mich bedeutet, niemals die Person. Diese Art von Feedback fordert viel Selbstverantwortung: Um einen Verhaltenswunsch zu äußern, muss ich wissen, was ich will und was ich brauche.

Ein Beispiel: "Ich als dein Arbeitskollege habe wahrgenommen, dass du die letzten vier Vormittage statt um 9 Uhr erst um 10 Uhr gekommen bist. In dieser Zeit habe ich im Kundenandrang einen Teil der für dich anfallenden Arbeit miterledigt, was für mich anstrengend ist. Ich habe gedacht, dein Wegbleiben ist unachtsam mir gegenüber und fühle mich von dir im Stich gelassen. Könntest du bitte ab jetzt pünktlich kommen?" Eine mögliche Antwort: "Oh, das tut mir leid, dass es dir so gegangen ist. Ich hatte eine Extravereinbarung mit dem Chef, dass ich bis übermorgen bis 10 Uhr kommen kann, weil ab da erst unser neuer Babysitter kommen kann. Tut mit leid, dass ich es nicht mit dir auch besprochen hab, das hab ich im ganzen Trubel total vergessen."

In diesem Zusammenhang haben wir uns und anderen Persönlichkeitsprofile anhand eines Fragebogens erstellt und uns über stark abweichende Wahrnehmungen ausgetauscht. Für mich war das sehr wertvoll, ich hatte die Möglichkeit, über meine Selbstwahrnehmung nachzudenken und über Unsicherheiten zu sprechen, welche sich auflösen konnten. So hab ich z.B. gelernt, mich in einer tendenziell ego-zentrischen Phase meines Lebens zu sehen, wo es darum geht, den eigenen Standpunkt zu finden und zu vertreten.

Als es um das Üben dieses Feedbacks an persönlichen Beispielen ging, sind wir auf den Wunsch eingegangen, dies an gruppeninternen Konflikten zu tun, bzw. an Irritationen, die aus dem Inselspiel noch da waren. Dieses Thema war meiner Meinung nach zu groß, als dass es in unserem gegebenen Zeitrahmen wirkungsvoll bearbeitet werden konnte. Allerdings hat das Ansprechen von Irritationen eine Welle ausgelöst, die unsere Gruppe nachhaltig mitgestaltet hat.
Im Seminar haben wir die verbleibende Zeit genutzt, um kurz die Open-Space-Methode anzureißen und das Johari-Fenster zu erläutern, wonach das Wesen eines jeden Gruppenmitglieds bzw. das Gruppenwesen in vier Bereiche unterteilt ist, die entweder dem einzelnen oder der Gruppe bekannt oder unbekannt sind. So unterscheidet man die Bereiche "Freies Handeln", "Blinder Fleck", "Verbergen" und "Unbewusstes". Die Gruppe läuft besser, je größer der Bereich ist, in dem jeder frei handeln kann, weil jeder weiß, wo er dem anderen frei von Irritationen begegnet und wo nicht. Dieser Bereich wird durch Phase eins und zwei des Gruppenprozesses vergrößert - ist dieser Bereich klein, geht es darum, Information zu geben und zu holen, sowohl sachliche als auch persönliche; wo der Informationsfluss versiegt, ist der Raum offen für Selbstläufer. Hier kann die Feedbackform von großem Nutzen sein.

In einer Abschlussrunde durfte jeder seinen Dank, Erkenntnisse, offene Fragen mitteilen - also eine versteckte Feedback-Übung.

Mir sind mit dem vertieften Wissen um die Phasen des Gruppenprozesses und um Methoden, ihn bewusst zu gestalten, ein größeres Vertrauen und Ruhe erwachsen, wenn es um Zusammenarbeit geht. Ich weiß und kann in der jeweiligen Situation ahnen, was vorgeht und was nötig ist. Mit etwas Übung kann ich mich mit diesem technischen Wissen einbringen und meinem inneren Drang nachgeben, für klare Struktur und liebevolle Ordnung zu sorgen und meinem Ziel von einer Zusammenarbeit näherkommen, wo es nur Gewinner gibt.
Herzlichen Dank für dieses Seminar!

Konstanze Lehmann

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