Pilotprojekt


Seminar 8: "Selbstmarketing" (Bericht 1)

9. - 10. Januar 2004

Das achte Seminar des Orientierungssemesters trug den Namen "Selbstmarketing". Als Trainer waren dazu geladen: Andrea Adler-König, selbstständige Marketingberaterin aus der Steiermark, die trotz angeschlagener Gesundheit einen klaren, kompetenten Eindruck hinterließ (ja sogar der immer wieder aufkommenden Gruppenpedanterie standhielt!), und Anton Stejskal, seines Zeichens Organisationsentwicklungsberater und Körpertherapeut mit Schwerpunkt cranio-sacrale Osteopathie, der sich mit Fortschreiten des Seminars mehr und mehr in einen gewitzten Showmaster verwandelte (was wohl ein Zeichen dafür war, dass er sich bei uns wohlfühlte!).
"Der Körper ist ein Hilfsmittel zum Spüren, wo der eigene Weg hingeht." postulierte Anton zum Einstieg ins Thema. Wichtig für das Funktionieren dieses Werkzeuges sei jedoch seine Wachheit und Vitalität; und so begann das Seminar mit...

Übungen zur Festigung des Ichs im Hier und Jetzt

· Verbindung zur Erde: den Boden spüren. Trägt er mich?
· Verbindung zum Himmel: den Raum über mir spüren. Be-geistert er mich?
· Den eigenen Raum / die momentane Ausdehnung der Aura spüren.
· Beim Umhergehen spüren, was beim Kontakt zum Raum eines anderen geschieht.
Hier machte ich drei interessante Beobachtungen:
    1. Meine Aura weitet sich, wenn ich Verbindung mit dem Raum des anderen aufnehme ("zulassen").
    2. Meine Aura verengt sich, wenn ich dem Raum des anderen Platz mache ("fliehen").
    3. Meine Aura verhärtet sich, wenn ich meinen Raum starr halte, um mich zu behaupten ("kämpfen").
· Aura bewusst ausdehnen.
Auch hier wurden mir zwei Möglichkeiten bewusst:
    1. Setze ich mich gegen die Felder der anderen zur Wehr und fege sie darum kraft meiner Energie weg?
    2. Beziehe ich die anderen in mein eigenes Feld mit ein, so dass jedes seinen Platz darin hat?
· Herzlichen Kontakt zu anderen aufnehmen: anschauen, berühren, umarmen
· Eigenen Standort im Raum innerhalb der Gruppe finden.
Hierbei war mir wichtig, nicht zu zentral zu stehen, aber auch nicht zu marginal. Ich brauchte den Überblick über alle und wollte einen sicheren Abstand zu den anderen einhalten, aber mich gleichzeitig auch eingebunden fühlen. - Ein sehr sensibles und komplexes System!

Nachdem sich auf diese Weise die Gruppenaura formiert hatte, war der Raum geöffnet für die nächste Seminareinheit: Geschenke annehmen und verteilen.
Nacheinander nahm nun jeder seinen zuvor ermittelten Standort ein, um die wertschätzenden Aussagen zu empfangen, die die anderen zu seinen Eigenschaften und Fähigkeiten trafen.
"Oh nein, nicht schon wieder eine Feedback-Runde!" war meine erste Reaktion, nachdem wir bereits mit John Oliver Haugg und Thomas Böhm ähnliche Einheiten exerziert hatten. Mein Widerstand hatte damit zu tun, dass ich es jedes mal als äußerst kräftezehrend empfand, einen Menschen in seiner Vieldimensionalität und Vielseitigkeit in wenige treffende Worte zu fassen. Sicher, mit dieser Erwartung an mich selbst setzte ich mich unter Druck. Gleichzeitig war es mir die Sache aber auch wert. - Schließlich bekommt man ja genau das zurück, was man selbst gibt. Und so empfand ich es dann doch als große Wohltat, selbst in der Mitte zu stehen und Geschenke einzusammeln.
Während wir im Seminar "Empowerment" untereinander noch Feedback-Zettel auf den Rücken klebten und im Seminar "Soziale Systeme" karussellartige Feedback-Zweiergespräche führten, lag der Wert dieses Mal darin, dass jeder beiwohnen konnte, wer wem was als Geschenk darbrachte. So war also im Laufe der Seminare eine Steigerung zu verzeichnen!

Mit einem "Sack voller Gaben" ging es im Folgenden um die Auswertung derselben: das Branding. In 40 Minuten Einzelarbeit galt es, seine eigenen Kernkompetenzen herauszuarbeiten, sie quasi wie in einem Schmelztiegel zu verdichten, um daraus schließlich die Antwort auf die Frage extrahieren zu können: Wo liegen meine wesentlichen Fähigkeiten, die ich nach außen tragen und auf dem Markt anbieten kann?

Ein hilfreicher Tipp bei der Aufgabe war, nicht nur auf das zu schauen, was in mir steckt, sondern auch auf das, was mich bewegt.

Bei der Auseinandersetzung mit der Frage, was man von seinen Fähigkeiten denn tatsächlich verkaufen kann, ist man auch sehr schnell mit den Dingen konfrontiert, die man nicht vermag, in denen man vollkommen inkompetent ist. Antons Rat darauf hieß: "Wenn du auf das stößt, was dich begrenzt, dann erkenne die Mauer / die Schlucht, die dir im Weg ist, an, halte sie aus und sage >Hallo<, wann immer du ihr begegnest. Wende dich nicht gegen sie, mache dich nicht zu ihrem Opfer, und deine Situation wird sich wandeln."

Nach einem Tanz zur Auflockerung, bei dem es darum ging, vertikale (Yang) und horizontale (Yin) Bewegungen einzubeziehen und wahrzunehmen, war die nächste Übungseinheit angesagt.

Rollenspiel in Vierergruppen: Einer nimmt seinen Raum ein, stellt sich vor und bietet seine Fähigkeiten feil. Die anderen verteilen sich um ihn herum und schlüpfen jeweils in die Rolle des Repräsentanten eines Marktes, der nachfragt und prüft, ob der Anbieter seinen Bedürfnissen gerecht wird.
Sich hinzustellen, sichtbar zum Fokuspunkt der Aufmerksamkeit zu werden und sich selbst zu präsentieren, fiel mir zunächst sehr schwer. Aber genau das war in den vergangenen Seminaren mein Thema gewesen: Nach außen zu mir selbst zu stehen und meinen Raum einzunehmen. Hier ging es um Musterunterbrechung! Mir bot sich eine Gelegenheit zu üben; eine Herausforderung, mein Verhaltensrepertoire zu erweitern! Dieser wollte ich mich stellen, und kaum hatte ich meinen Widerstand durchbrochen und meine Bereitschaft erklärt, da begann ich, mich wohler zu fühlen Schließlich machte es mir sogar Spaß, auf all die mich einströmenden Impulse zu reagieren. Ich war ganz erstaunt über all die kreativen Ideen, die aus mir herausschossen, und über die Erkenntnis, wie viele Möglichkeiten es für mich doch auf dem Markt zu geben schien! -

Zu den Mustern, die das Verhalten einschränken, nannte Anton das Beispiel folgender zwei Menschentypen:
1. Menschen, die erweitern (Jupiter-Typ)
Sie eröffnen Räume, sehen vielfältige Möglichkeiten und Potenziale, konzipieren. Sie beobachten die Dinge und lassen sie sein.
2. Menschen, die verdichten (Saturn-Typ)
Sie unternehmen konkrete Schritte zur praktischen Umsetzung, sehen Techniken und Abläufe. Sie wollen Dinge erreichen und tun sie.

Andrea machte uns im Anschluss mit dem Wesen eines Marketing-Plans vertraut.

Der Höhepunkt des Schaffens wurde im Folgenden mit der Erarbeitung eines eigenen Marketing-Plans erreicht. In einer Zeiteinheit von 60 Minuten galt es, eine Analyse der eigenen Kompetenz in den Bereichen "Produkt", "Preis" und "Platz" vorzunehmen.

Bevor es dann darum ging, die eigenen Ausarbeitungen in einer jeweils etwa 5minütigen Einzelpräsentation dem Plenum vorzustellen, gab Anton in Form eines Exkurses eine Hilfestellung zur situationsgerechten Kommunikation:

Das innere Team (nach Friedemann Schulz von Thun)

· setzt sich aus unterschiedlichen Aspekten / Persönlichkeitsanteilen in uns zusammen
· besteht aus verschiedenen Mitgliedern, die ganz unterschiedliche Ziele, Interessen und Wünsche verfolgen können (z.B. der Ehrgeizige, der Faule, der Abenteuerliche, der Ängstliche, der Beobachter, der Kritiker...)
· ist je nach Situation unterschiedlich aufgestellt
· braucht Führung durch ein weises Oberhaupt, das Teamkonferenzen und Ratsversammlungen abhält, um zu Lösungen zu gelangen, mit denen möglichst viele Mitglieder zufrieden sind
Übung dazu: einem Partner eine kurze Geschichte erzählen und beobachten, wer dabei vom inneren Team im Vordergrund steht.

Mit formiertem inneren Team sahen wir schließlich den Selbstdarstellungen entgegen. Sie liefen recht erstaunlich ab. Mir schien die Atmosphäre selten mit so viel Klarheit, Kraft, Geschlossenheit, Mitgefühl und Authentizität erfüllt zu sein wie in diesen 13x5 Minuten.
So kann Selbstdarstellung also auch aussehen! Bislang hegte ich zu diesem Begriff lediglich negative Assoziationen wie "Arroganz", "Protzerei" oder "Wichtigtuerei". Da hatte bei mir plötzlich etwas >klick< gemacht. -

Das Seminar endete mit einem Tanz der Begegnung, bei dem wir die Eindrücke unserer Partner malerisch auf Papier festhielten.

Vielen Dank an Andrea und Anton für ein gelungenes, rundes Seminar!

Claas Fischer

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