Pilotprojekt


Seminar 3: "Berufung und Vision, Leitbild und Strategieentwicklung"

5. - 9. September 2003

Das Visionsseminar war für mich der Kern des gesamten Orientierungssemesters. Ich wusste, es war an der Zeit, mich mit meiner Vision zu beschäftigen. Jedoch hatte ich von Anfang an Zweifel, ob der Zeitpunkt für das Visionsseminar im Orientierungssemester nicht zu früh angesetzt war. Bin ich schon so weit, eine Vision zu formulieren? Ist es nicht noch zu früh dafür? Wann ist überhaupt der richtige Zeitpunkt dafür? Reichen fünf Tage aus, den Schatz, der tief in mir schlummert, zu heben, meiner Sehnsucht einen Ausdruck zu geben? Was ist überhaupt meine Sehnsucht?
Aufgrund all dieser zweifelnden Fragen hatte ich von Beginn des Seminars an nicht die Erwartung, mit meiner Vision in der Tasche nach Hause zu fahren.

Es gab eine Fülle an Angebot in den fünf Tagen Visionsarbeit: Märchen, Fantasiereisen, Meditation, kreatives Arbeiten, Rituale, Tänze, Gespräche und viele tiefgehende Fragen, die mir halfen, meine Vision auf die Welt zu bringen.

In diesen fünf intensiven Tagen gab es Momente, an denen ich merkte, mir geht die Puste aus. Trotzdem setzte ich meinen Weg fort mit dem Bewusstsein, egal was rauskommt, es muss nicht perfekt sein. Manchmal hatte ich das Gefühl, es ist ein Wettrennen mit der Zeit. Ich setzte mich selber unter Druck, ein altes Muster. Ich erlaubte mir Aufgaben und Übungen auszulassen, machte statt dessen ein kleines Nickerchen, um wieder Energie zu tanken. Trotz des vorgegebenen Tempos durch die Seminarleitung versuchte ich in meinem Tempo zu bleiben. Es war mir besonders wichtig, bei mir zu bleiben, in meiner Innenorientierung. Denn die Vision kommt aus dem Innen.

Die Arbeit an meiner eigenen inneren Orientierung und an meiner Vision war nicht zu früh angesetzt. Im Gegenteil, es war eine Arbeit, die in meinem Leben schon längst ausständig war.
Das Ergebnis: Mein Weg führt in Richtung Selbstständigkeit. Jetzt ist es heraus, schwarz auf weiß. Und es darf so stehen bleiben. Gleichzeitig habe ich damit einen neuen Mangelzustand erzeugt. Ich bin noch nicht dort angekommen, wo ich hin möchte. Aber woran erkenne ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin? Auch dafür habe ich eine ganze Liste an Indikatoren: wenn es Freude macht, wenn es leicht fällt, wenn ich aufblühe, strahle, in meiner Energie bin, wenn ich anderen Menschen begegne, wenn ich lieben kann…

Bereichert um das Wissen über meine inneren Werte und meiner Vision, wie ich arbeiten möchte, fuhr ich nach Hause. Die Bewährungsprobe ließ nicht lange auf sich warten. Zwei Tage später bin ich auf eine Joboption angesprochen worden - neuer Aufgabenbereich, neue Herausforderung, mehr Gehalt... Es hat mich sehr verlockt! Was nun? Habe ich mich auf dem Visionsseminar selber belogen und nur vor mich hingeträumt? Hat das, was ich erarbeitet habe, keinen Halt mehr?
Ich wollte beides offen lassen, ich wollte meinen alten Weg noch nicht ganz verlassen und konnte mich gleichzeitig auch nicht voll auf das Neue einlassen. Dieser Zustand hielt mehrere Monate an. Die Energie war gebunden. Ich kam zum Stillstand.

Eine Aufstellung gab mir den Lösungsimpuls, ich muss endlich vom Alten Abschied nehmen, damit mein Herz für das Neue frei ist. So entschied ich mich, die Sicherheit loszulassen. Hatte ich doch Monate davor beim Seminar schon schwarz auf weiß niedergeschrieben, dass ich bereit bin, die Sicherheit einer geregelten Arbeit und eines guten, regelmäßigen Gehalts aufzugeben, um Freiräume für neue Möglichkeiten und Chancen zu schaffen!
Es war eine Entscheidung, die schmerzte, mich enorme Kraft kostete, aber gleichzeitig Erleichterung und Befreiung brachte. Bewährungsprobe bestanden!

Heute nach mehr als einem halben Jahr, nach Abschluss des Orientierungssemesters, fühle ich mich getragen von meinen inneren Werten. Meine Vision eines sinnerfüllten Arbeitens ist mein Kompass.

Der kleine Tiger zieht nun mit einer inneren Stabilität durch den großen, bunten Dschungel. Und er wächst und wächst und wächst…

Hui-Wen Yeh

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