Pilotprojekt


Seminar 9: "Vom Jobtraum zum Traumjob - Spaß an einer Welt ohne absolute Sicherheit" (Bericht 1)

7. - 8. Februar 2004

Seminarleiter Sven Werner und Nils Cornelissen - "ein BWLer, der Künstler wird, und ein Künstler, der BWLer wird", beide Seiltänzer, Jongleure und Lebenskünstler - das ist meine Definition von ihnen.

Ich beginne meinen Bericht über unser Traumjob-Seminar mit den letzten Minuten, mit der Abschlussrunde. Es gab sehr viel und sehr positives Feedback für das Seminar, noch mehr ganz speziell für unsere beiden Trainer und auch durchgängig für ihre auffällige Harmonie miteinander. Es lag eine Aufbruchstimmung in der Luft. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren heiter und froh und viele wirkten auf mich unternehmungslustiger als früher.
Für mich hat sich etwas verändert, ich habe eine Richtung bekommen und ich möchte anfangen. Ich fühle mich von den Trainern gesehen und habe ihre Unterstützung bekommen. Es geht los! 

Samstag 14. Februar
Vormittags

Wir kommen in den Seminarraum, mittendrin eine uralte große Holztruhe. Es liegen Jonglierbälle im Raum.
Warmmachen ist angesagt, im Raum umhergehen, dann eine Vorstellungsrunde. Natürlich mit den obligatorischen Fragen:

"Wo komme ich her?"
Große Familie, vier Kinder, "nur" Mädchen, kein Junge, ich bin ein Mädchen mit vielen Träumen, viel Phantasie, erlebe viele Zwänge und Kämpfe. Muss mich immer und immer kämpfend behaupten. Werde extrem gepolt auf Unabhängigkeit, Auflehnung, Eigenständigkeit, gegen Partnerschaft. 

"Wo bin ich gerade?"
Viele, viele Fähigkeiten erkannt an mir - zu viele!? Gefühl von Verweigerung, Orientierungslosigkeit, Langeweile, Dinge anders machen wollen als andere. Roter Faden ist: Liebe, Familie, Alleinsein, stetig wachsender Wunsch nach Gemeinschaft, "archaische" Gefühle nach gemeinsamem Alltag (nicht die Hausfrau und Mutter und untergeordnete Frau, sondern gleich berechtigte Partnerin bei Arbeit und Liebe) - aber diese Wünsche und Sehnsüchte erschrecken mich gleichzeitig extrem, sind sie doch der totale Widerspruch zu meinem Muster.

"Wo will ich hin?"
Mit meinem Partner / Liebsten etwas zusammen aufbauen, etwas schaffen, meine große Vielseitigkeit nutzen dürfen, keine Langeweile verspüren, keinen sinnlosen Job, sondern sinnvoll arbeiten, etwas Wichtiges tun, entscheiden können, jemanden ergänzen, mich ergänzen lassen.

Die Antworten tropfen aus mir heraus, alles wirkt so klar und sichtbar und so richtig. Ich empfinde den Trainern gegenüber Vertrauen, wage es, die drei Fragen aus meinem Innersten heraus zu beantworten.

Jede Person beantwortet diese Fragen und es wird in anschließender Befragung jeweils ein Satz herausgearbeitet: "Was ist deine Angst?" oder "Wo brauchst du Unterstützung?" oder "Welcher erste Schritt steht an?" Wir sollen den Satz festhalten, aber meiner ist nach drei Minuten schon wieder weg.

Nachmittags

Jetzt lernen wir erst einmal jonglieren. Ja, genau, wir werden systematisch in die hohe Kunst des Jonglierens mit drei plumpsigen Bällen eingeführt.

Dann, basierend auf dem besagten Satz folgt die Seminareinheit TU ES! Wir bilden Zweiergruppen und es wird erarbeitet, was man symbolisch als ersten Schritt tun könnte, um Angst zu überwinden, um sich Unterstützung zu holen. Jede Person soll eine Art Mutprobe machen, etwas tun, was Überwindung kostet.
Ich gehe mit Martin zusammen. - Wir kommen beide nicht zu einem Ergebnis, aber haben ein interessantes Gespräch. Und zwischendrin kommt Sven dazu, fragt nach, unterstützt. Und er erinnert mich an meinen weggeblasenen Satz. Er hat mich erkannt und gesehen, weiß wie ich ticke, gibt mir Feedback, sagt wie ich auf ihn wirke. Für mich passt es total, ist stimmig, ich fühl mich wohl damit.

Meine Werte / Muster bewirken, dass Liebe und enge Partnerschaft eine totale Abhängigkeit bringen werden! Es droht dann Selbstaufgabe, Abhängigkeit, Verlust der eigenen Meinung und des eigenen Lebens. Und somit haben meine Sehnsüchte und Wünsche nach der Verbindung von Liebe und Arbeit einen schweren Konflikt in mir ausgelöst. Ich verstehe mein hin und her gerissen sein jetzt besser, verstehe und akzeptiere meine Depression nach dem Winzerpraktikum, mein Zurückschrecken vor dem konkreten Planen der Schritte in diese Richtung. 
Jetzt plötzlich kann ich mich erstmalig entspannen. Aha, kein Entscheidungsproblem war das, kein Gefühlstumult, sondern einfach nur das Aufeinanderprallen von erlernten Werten / gelernten Mustern einerseits und meinen endlich offen liegenden und mir jetzt bewussten Wünschen und Sehnsüchten! 

Ich werde ruhiger und es wird klar, jetzt kommt ein Prozess der Veränderung. Aber eine Mutprobe, eine symbolische Aktion zur Unterstützung, das passt nicht, da fällt uns nichts ein. Und es ist auch nicht nötig. Irgendwie doch schade, denn es ist ein bisschen wie "nicht mitspielen dürfen". 
Interessante Punkte der Arbeitsgruppe waren auch noch Martins Appell: "Such Dir einfach einen Job, bewirb Dich irgendwo, leg einfach mal los!" und seine These, ich hänge die Trauben so hoch, dass ich keine Chance mehr sehe, sie zu erreichen und auch gar nicht mehr danach springe. Zu viele Ansprüche, zu hohe Ansprüche, es gibt das nicht alles in Kombination. Aber ich will alles und dann auch noch alles auf einmal. Das geht aber nicht, also mache ich gar nichts. Oder noch schlimmer: Ich mache das Gegenteil, Dinge die mich Ablenken und Wegbringen, extreme Kompromisse und Abstriche. Das zieht mich dann durchaus auch mal total runter, macht mich traurig und ich bin noch weiter von mir weg.

Nach den Arbeitsgruppen geht es an die Mutproben, ans Vorbereiten und einige präsentieren auch schon direkt der Gruppe. Es gibt wunderbare Beiträge und eine extrem andere Sicht auf die agierenden Personen.

Abends

Es gibt ein Festessen zusammen am langen Tisch. Wir tafeln und tratschen in aller Ruhe und mit viel Lust.
Später gibt es dann die restlichen berauschenden Beiträge - super schön. 


Sonntag 15. März
Vormittag

Das Jonglieren klappt schon viel besser......
Und es gibt neue Fragen an uns: 
"In welchen Strukturen habe ich schon gearbeitet / gelernt? Was hat mir gut gefallen? Was nicht? Was ist die optimale Struktur für mich?"

Wir bilden wieder Zweiergruppen, erstellen Listen, besprechen untereinander die Liste unserer Strukturen und bewerten sie. Schließlich schreiben wir unsere optimale Struktur auf. Wir sollen diese in einem Kurzvortrag der Gruppe präsentieren.

Mittagspause

Danach geht es tatsächlich mit dem Seil weiter - spannen und darauf tanzen. Es ist höllisch schwer. Es braucht schon enorme Konzentration nur oben zu bleiben, ängstlich festgeklammert an den Helfern.

Dann bilden wir wieder Gruppen, zu dritt dieses Mal. Sinn und Zweck: konkrete "to do"-Listen für die nächste Zeit zu erstellen. 
Wir bekommen Handwerkszeug dazu: eine Matrix um Dringlichkeit und Wichtigkeit festlegen zu können. Einen Hinweis auf das Dreieck Qualität, Zeit und Geld, um sich das Verhältnis dieser drei Faktoren untereinander anschauen zu können, um keinen zu vernachlässigen.

Jede Person hat in der Gruppe 20 Minuten Zeit, um ihre Liste zu bauen, unter Mithilfe, Anregung, Kritik der beiden anderen. Bei Gabriele, Martin und mir gibt es wildes Diskutieren und schließlich sogar recht gute Listen. Ich bin erst ratlos und denke, nie krieg ich eine "to do"-Liste hin, aber es geht doch. Letztendlich muss ich mir eingestehen, dass es mir peinlich ist, die nächsten Schritte zu definieren. Denn sie haben nichts mit Qualifikation oder Weiterbildung oder Jobwechsel zu tun, sondern schlicht mit Partnersuche. Oh je.

Es gibt noch die Aufforderung, uns einen Mentor in der Gruppe zu suchen. Eine Person, die in den nächsten Tagen die Liste geschickt bekommt und die wir bitten uns zu unterstützen. Sie wird nachfragen, die gesetzten Termine ein wenig mit im Auge behalten, unterstützen. 
Wir regeln das in unserer Dreiergruppe unter uns und werden uns gegenseitig den Mentor und die Mentorinnen machen.

Ja und dann gab es tatsächlich die Abschlussrunde und Feedback für unsere Trainer und dann mussten wir uns alle wieder von einander trennen, uns verabschieden.
Wie schreibe ich einen tiefen Atemzug auf? Einatmen und ausatmen......

Linne Feuerberg

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