Rückblick



STIMMEN FÜR DEN FRIEDEN

- Briefe über die Bedrohung des Weltfriedens am 11. September 2001 -


  Dr. Göke Frerichs, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Prof. Dr. Ervin Laszlo, Präsident des Club of Budapest

Joe Leinen, Vorsitzender der Union of the European Federation

Rigoberta Menchú Tum, Mexico City

Edzard Reuter, ehem. Vorsitzender von Daimler Benz

Konstantin Wecker, Sänger und Liedermacher
 

 

 

Rigoberta Menchú Tum, Mexico City

Eine Stimme für die Vernunft

Nach Bekanntwerden der Ereignisse, die die Welt in den ersten Stunden des heutigen Tages bewegten, möchte ich meinen Standpunkt darüber in folgender Weise der Öffentlichkeit darlegen:

1. Ich verurteile in aller Deutlichkeit die verabscheuungswürdigen terroristischen Handlungen, die das Leben von Tausenden unschuldigen Zivilpersonen gekostet haben und eine Welle der Gewalt ausgelöst haben, deren Folgen unabsehbar sind. Der Terrorismus ist - woher immer er auch kommt - eine politisch nicht zu rechtfertigende Verhaltensweise, die auch moralisch inakzeptabel ist.

2. Ich möchte den Opfern, ihren Familien und dem Volk der Vereinigten Staaten von Amerika mein tiefes Mitgefühl und meine Solidarität ausdrücken.

3. Ich rufe zur Mäßigung und zur Vernunft auf, um zu verhindern, dass auf die Provokation und den Wahnsinn in einer Weise reagiert werden könnte, die eine offensive Revanche wäre und nur ein Ansteigen der Gewalt mit sich brächte, deren Art und Weise sowie ihr Ausgangspunkt, von niemandem vorausgesagt werden könnte und deren Ende nicht absehbar ist.

4. Ich rufe dazu auf, alle Mittel einzusetzen um einen Dialog zwischen einem hegemonischen System herzustellen, das einseitig und selektiv einschließt und ausschließt, und der verzweifelten Radikalität der Reaktionen, die es hervorgerufen hat.

5. Ich mache die internationale Gemeinschaft auf die Gefahr aufmerksam, dass die Aktionen dieser terroristischen Gruppen dazu beitragen, eine Kriegslogik auszulösen, im Zuge derer alte und neue Kontroversen zwischen den Nationen ausbrechen und Handlungen gegen Gruppen und Sektoren gerechtfertigt werden, die keinen pluralistischen Ansatz gefunden haben, um innerhalb ihrer bestehenden institutionellen Rahmen den Ausdruck ihrer Identität anzuerkennen und zu achten.

6. Ich rufe die Kommunikationsmedien auf, die Katastrophenberichterstattung zu vermeiden, die sich auf ideologisch geprägte Interpretationen stützt und nur die Verwirrung verstärkt und die Gespenster der Intoleranz nährt.

7. Ich rufe schlussendlich auch die Zivilgesellschaft des Planeten und die Nobelpreisträger sowie alle diejenigen auf, die Verantwortung für die Regierung aller Länder der Welt tragen, aus den Ereignisse von heute keine voreiligen Schlüsse zu ziehen und sich gemeinsam in einer großen ALLIANZ DER VERNUNFT zusammenzuschließen, mit der die feige Sinnlosigkeit der Welt aufgehalten und der Menschheit größeres Leid erspart wird.

(German translation by Brigitte Ornauer)


Dr. Göke Frerichs, Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Wir alle sind erfüllt von Entsetzen und Abscheu angesichts der fürchterlichen Terroranschläge, die gestern die Vereinigten Staaten von Amerika getroffen haben. Wir trauern um die Opfer und sind mit unseren Gedanken bei den Menschen, die ihre Angehörigen und Freunde durch diese sinnlose Tat verloren haben. Unser Mitgefühl gehört dem ganzen amerikanischen Volk, dem wir in dieser Stunde unsere Solidarität bezeugen.

Wir verurteilen den unfassbaren Terror, für den es keinerlei Rechtfertigung gibt, weder eine politische noch eine soziale oder eine ideologische. Wer immer diese Verbrechen begangen hat oder den Verbrechern Unterstützung gewährt hat, muss zur Rechenschaft gezogen und bestraft werden. Der Kampf gegen den Terrorismus, den die Staatengemeinschaft solidarisch und mit Entschiedenheit führen muss, verlangt auch die ständige Bemühung um die Beseitigung der Ursachen, die ihn nähren. Deshalb setzen wir uns auch in Zukunft mit Nachdruck für eine konsequente Friedenspolitik ein, das heißt: eine konsequente Politik zugunsten der Demokratie und der sozialen Gerechtigkeit innerhalb der Staaten und zwischen den Staaten.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ruft die Organisationen und Verbände der Zivilgesellschaft und darüber hinaus alle Bürgerinnen und Bürger in ganz Europa auf, in geeigneter Form Zeichen zu setzen: Zeichen der Anteilnahme, des Mitgefühls und der Freundschaft mit dem amerikanischen Volk; Zeichen der Verurteilung des Terrors; Zeichen für Frieden und Freiheit.


Ervin Laszlo, Präsident des Club of Budapest

EINE WEISE ANTWORT AUF GEWALT

Die Kamikaze-Anschläge vom 11. September auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington war ein Verbrechen gegen die Menschheit und gegen jede Zivilisation. Wir verurteilen diesen Akt des Terrorismus und rufen alle ethisch motivierten und friedliebenden Menschen in der ganzen Welt auf zusammenzustehen und dem Terrorismus und der Gewalt in all ihren Formen ein Ende zu bereiten. Unschuldige Menschen zu töten und ihre Wohn- und Arbeitsorte zu zerstören bringt für kein einziges der Weltprobleme irgendeine Lösung.

Wenn wir bei der Ausrottung von Gewalt und Terrorismus erfolgreich sein wollen, ist Weisheit in unseren Handlungen geboten. Gewalt und Terrorismus können nicht überwunden werden durch Gegenschläge nach dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn". Die wirklichen Wurzeln der Gewalt liegen tiefer als die fanatischen Selbstverpflichtungen von Terroristen und die religiösen Forderungen von Fundamentalisten. Das Ausschalten einer Gruppe von Terroristen wird das Problem nicht lösen, denn solange die zugrundeliegenden Ursachen fortbestehen, werden andere an ihren Platz treten.

Der Terror, der in der heutigen Welt auftaucht, ist ein Symptom für tiefsitzende Enttäuschungen und Wut über die seit langem bestehenden offensichtlichen Ungerechtigkeiten in der Welt. Wir, die Mitglieder des Club of Budapest, haben uns darauf verpflichtet, nach den Ursachen jener Faktoren zu suchen, die diesen Hass und diese Gewalt hervorrufen, und friedliche und effektive Wege vorzuschlagen, wie diese überwunden werden können. Solange und soweit die tieferen Ursachen nicht beseitigt sind, werden wir keinen Frieden in der Welt haben, höchstens ein unsicheres Zwischenspiel zwischen terroristischen Akten und anhaltenden Feindschaften. Solange Menschen derart entmutigt sind und in sich den Wunsch nach Hass und Rache tragen, ist ein Zusammenleben im Geist von Frieden und Kooperation nicht möglich. Ob die Gründe dafür nun im verletzten Ego von Menschen liegen oder in der verletzten Selbstachtung von Völkern, im Wunsch nach persönlicher Rache oder nach einem "Heiligen Krieg" zur Verteidigung ihres Glaubens - das Resultat bleibt immer Gewalt, Tod und Katastrophen. Die Erlangung von Frieden in der Seele jedes Einzelnen ist die Voraussetzung für die Erlangung von Frieden in der Welt.

Der Club of Budapest ist hält daran fest: Eine weise Antwort auf Gewalt und Terrorismus besteht in der Hilfe für die Menschen, Frieden mit sich selbst zu finden und mit ihren Mitmenschen nah und fern. In der Förderung von Solidarität mit und der Kooperation für die gemeinsame Sache von Fairness und Gerechtigkeit ist der einzig gangbare Weg zu dauerhaftem Frieden auf Erden.


Joe Leinen, Vorsitzender der Union of the European Federation

PRESSEMITTEILUNG, Kontakt: Bruno Boissiere

WELTWEITER TERRORISMUS: NEUE VERANTWORTUNG FÜR DIE EU

Nach der schrecklichen und feigen Attacke letzter Woche empfindet der Vorstand der Union der Europäischen Föderalisten und dessen Präsident, Europaabgeordneter Jo LEINEN, volles Mitgefühl mit den amerikanischen Bürgern.

Die Spannungssituationen, das Elend und die Anarchie, die der heutzutage verbreiteten Abneigung gegen die USA als Nährboden dienen, können nicht durch militärische Maßnahmen alleine bekämpft werden. Die Föderalisten plädieren für eine multilaterale Politik, die weltweite "governance" garantiert. Eine Politik, die auf Frieden basiert und die in den ärmsten und unsichersten Regionen der Welt die wirtschaftliche Entwicklung fördert und gerechte und fortschrittliche politische Lösungen findet.

Die U.E.F. ist der Ansicht, dass die europäischen Regierungen durch Ihre Uneinigkeit und Machtlosigkeit den Vereinigten Staaten eine zu große Aufgabe alleine überlassen. Die Amerikanische Regierung steht dadurch unter unerträglichem Druck.

Die U.E.F. weist auf die Notwendigkeit der politischen Union und somit der Erweiterung der menschlichen und materiellen Mittel Europas hin. Dadurch könnte Europa wichtigen internationalen Verantwortungen nachgeben und zur Entwicklung und Herstellung des Friedens in den unsichersten Regionen beitragen, im Nahen Osten angefangen. Die Europäer würden somit die Vereinigten Staaten von einem großen Teil der jetzigen Verantwortung entlasten und eine stabilere Weltordnung herstellen. Internationale Kooperation müsste sich gegen Machtkonflikte durchsetzen und dem internationalen Terrorismus würden seine Grundlagen entzogen werden.

Die U.E.F. fordert, dass die Staats- und Regierungschefs der EU (zumindest die weitsichtigen unter ihnen) auf die nationalen Souveränitäten verzichten, die das Entscheidungsverfahren der EU paralysieren und die Union zu einer unverantwortlichen Passivität verurteilen.

Die Europäischen Föderalisten fordern, dass die EU Mitgliedsstaaten sich in einer demokratischen Föderation einigen, die fähig ist, eine effiziente Aussenpolitik zu betreiben. Nur so können Freiheit, Demokratie, soziale Gerechtigkeit und Toleranz weltweit gefördert und verteidigt und Europas innere und äussere Sicherheit garantiert werden.

Jo LEINEN erklärte: "Um zur Bekämpfung des weltweiten Terrorismus beizutragen, muss die EU neue Verantwortungen übernehmen. Die EU muss dringend Ihre Aussen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik und Ihre Politik für Justiz und Inneres ausweiten, gleichzeitig aber auch die Effizienz dieser Politiken verstärken, indem die Entscheidungsverfahren verbessert werden".


Edzard Reuter, ehem. Vorsitzender von Daimler Benz

In den letzten Tagen bin ich unzählige Male auf Stellungnahmen angesprochen worden. Angesichts der Flutwelle von öffentlichen Äusserungen erschien und erscheint es mit mehr oder minder sinnlos, eine weitere hinzu zu fügen, die nur wiederholt, was schon gesagt worden ist. Natürlich dürfen wir uns alle als demokratische Staaten nicht widerstandslos dem gnadenlosen Terror einiger Wahnsinniger fügen. Wohl bedachte Gegenwehr ist also unverzichtbar. Sie darf allerdings nicht ausarten in Militäraktionen, die keine Rücksicht auf Unschuldige nehmen. Das aber, so denke ich, haben inzwischen alle Verantwortlichen erkannt und werden es berücksichtigen. Ich sehe also keine Gefährdung des Weltfriedens am Horizont. Das einzige, was man tun kann und sollte, ist also, immer wieder zur Bedachtsamkeit zu mahnen. Eines kann nach den Vorgängen in New York und Washington niemand leugnen: nicht die Ermordeten, sondern die Mörder sind schuld, wenn ihnen ihr Handwerk gelegt wird.


Konstantin Wecker, Sänger und Liedermacher

Ist es nicht entsetzlich, was Nationalismus und Fanatismus anrichten? Wie verblendet und von Hass verbrannt muss man sein, um sich zum Massenmord berechtigt zu fühlen? Zum heiligen Krieg? Mein ganzes Mitgefühl gilt natürlich den Amerikanern: Den Verletzten, den Verwandten und Freunden der Toten, den Kindern und Müttern und Vätern, all denen, denen der 11. September 2001 das Leben zerstört hat. Wie viele Kinder warten heute vergebens auf ihre Mütter und Väter? Uns erschüttern diese Bilder auch deshalb so , weil es ein Anschlag auf unsere "zivilisierte", westliche Wohlstandsgesellschaft ist. Aber ich denke, gerade in solchen tragischen Momenten, sollten wir auch der 80 000 Menschen gedenken , die täglich verhungern. In Gegenden die weit weg sind. Am Rande sich rasant ausbreitender Wüsten. Denen keine Sondersendungen gewidmet werden.

... Ich hoffe, dass man jetzt nicht wieder einzig die "harte Mann" Reaktion als Antwort hat. Das würde die Spirale der Gewalt nur weiter drehen. Solch eine Zeit der Trauer sollte auch eine Zeit der Besinnung sein.Für uns alle.

... Meines Erachtens war der das kein Anschlag auf Amerika, sondern ein entsetzliches Verbrechen gegen 5000 Menschen aus über 60 Nationen. Meine uneingeschränkte Solidarität gilt diesen Menschen, ihren Freunden und Verwandten. Nicht einer Nation. Denn wir alle sind aufgefordert umzudenken, nicht nur die Amerikaner. Unsere westliche Lebensweise des Überflusses, der Verschwendung, der Gedanken- und Geistlosigkeit zu überdenken. Unseren Hochmut und unsere Ignoranz. Das große Leid rechtfertigt nicht die ewig alten Fehler.

Nationalismus ist und bleibt ein Grundübel.

Terrorismus muss mit rechtlichen, nicht mit militärischen Mitteln bekämpft werden. Also muss man die ganze Welt einbeziehen im Kampf gegen die unmenschlichen Verbrecher. Nicht nur die sogenannte zivilisierte Welt.

Dies ist kein Krieg.

Noch nicht.


 

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